Roman „Klavka“ 

Dieses Buch ist von großer Bedeutung für die Ukraine, da es die Ereignisse des berüchtigten Plenums schildert, das in die Geschichte als Zerschlagung der ukrainischen Literatur eingegangen ist. Darüber gibt es nur sehr wenige Informationen, und publizistische Werke zu diesem Thema existieren außer diesem Roman praktisch nicht. Umso wertvoller ist es, davon aus der Perspektive einer Figur zu erfahren, die gewissermaßen „an vorderster Front“ an diesen historischen Ereignissen beteiligt war. 

Die Hauptfigur wirft zunächst Fragen auf: Sie ist die Tochter von Menschen, die offiziell als „Volksverräter“ galten – für die Ukrainer jedoch bedeutete dies in der Regel, dass sie gegen die russische Besatzung, gegen das unterdrückerische Regime gekämpft hatten oder schlicht, dass sie Ukrainer waren. Dennoch arbeitete Klavka in der Nähe von Funktionären, die über das Schicksal der ukrainischen Literatur entschieden. 

Sie ist keine Rebellin – und gerade darin zeigt sich ihre Authentizität. Wie so viele Menschen jener Zeit schwieg sie und tat ihre Pflicht. Der Roman macht eindrucksvoll deutlich, wie schwer es damals für ukrainische Schriftsteller war: Sie mussten den Regeln folgen, im Auftrag schreiben, sich einer drückenden Zensur beugen und Stalin sowie sein Regime verherrlichen. Gleichzeitig war dies die einzige Möglichkeit, die ukrainische Sprache überhaupt noch ein Stück weit zu bewahren. Dazu kam der Zwang, einander öffentlich zu kritisieren und zu diffamieren – eine enorme Belastung für das Gewissen vieler Autoren. 

Beim Lesen stellt sich ein Gefühl der Ausweglosigkeit und des Drucks ein, aber auch der Abscheu gegenüber diesem System. Gerade deshalb beeindruckt, wie es der Autorin gelingt, von diesen düsteren Ereignissen in einer Weise zu erzählen, die den Leser fesselt. 

Besonders bewegend sind die Passagen über Bohdan, einen der Figuren, der von den deutschen Konzentrationslagern berichtet. Er erzählt, wie er dort „Volksfeinde“ und „Verräter“ unter den Ukrainern suchte, um sie für die Rückkehr in die Sowjetunion zu gewinnen. Gleichzeitig schildert er, wie die Ukrainer selbst unter unmenschlichen Bedingungen ihre Kultur pflegten: Sie sangen Lieder, rezitierten Gedichte, feierten ihre Feste. Selbst in den Lagern bewahrten sie Gemeinschaft, Zusammenhalt und Menschlichkeit. 

Ein interessantes Motiv des Romans ist auch das Essen: Die Protagonistin ist ständig hungrig. Sie kauft sich von ihrem letzten Geld drei Pasteten, um sie mit den Nachbarn zu teilen. Oder sie betrachtet sehnsüchtig die belegten Brote im Büro, wagt es aber nicht, zuzugreifen, um ihre Not nicht zu zeigen. Die Nachkriegsjahre waren geprägt von Hunger und Entbehrung – und dennoch vergaß Klavka nie die anderen. 

Maryna Hrymytschs „Klavka“ ist ein eindringlicher, nachdenklich machender Roman, der ein dunkles Kapitel ukrainischer Geschichte beleuchtet und gleichzeitig zeigt, wie Menschen selbst unter größtem Druck ihre Menschlichkeit bewahren können. 

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